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  • AutorenbildL.T. Ayren

Die Mittelspur-Schleicher des Lebens

Über die Kunst, Blockierer zu überwinden.



Bildquelle Pixabay


Die Kampf der Straße

Wer kennt sie nicht? Du fährst auf der Autobahn. An sich ist alles frei. Völlig entspannt fährst du durch die Landschaft. An LKWs und langsamen fahrenden PKWs vorbei. Vorbildlich steuerst du nach den Überholvorgängen wieder nach rechts und scherst nur aus, wenn du wirklich musst.

Wie aus dem Nichts staut es sich vor dir. Du musst langsamer werden, hart abbremsen. Fast kommt die Kolonne zum Stehen. In deinem Zorn entdeckst du in deinem Augenwinkel den Grund für diese gefährliche Situation. Da fährt er. Zügig, aber immer noch deutlich langsamer als alle anderen fährt er gemütlich vor sich hin. Obwohl die rechte Spur frei ist, hat sich der Fahrer für die mittlere Spur entschieden. Ohne Rücksicht auf Verluste schleicht er mit Richtgeschwindigkeit vor sich hin. Hinter ihnen zieht alles auf die linke Spur, müssen gezwungenermaßen im Rahmen ihrer Möglichkeiten überholen. Zum Teil scheitert der zügige Überholvorgang der Überholenden an leistungsstarken Motoren oder schlicht an der persönlichen Risikobereitschaft. Du tobst und schimpfst, während du auf der linken Spur langsam wieder in Schwung kommst.


Leider aber allgegenwärtig...

Leider begegnen uns die Mittelspur-Schleicher viel zu oft. Leider auch nicht nur auf der Autobahn. Das Mittelspur-Schleichen ist ein Mindset. Eine Lebenseinstellung. Eine Einstellung, die vor allem sich selbst in den Mittelpunkt der Welt stellt. Der Mittelspur-Schleicher erfreut sich der freien Fahrt. Langsame LKWs werden geschmeidig überholt und schnellere können ja immer noch an ihm vorbei ziehen, so die Denke. Er sieht sich als gelebtes Mittelmaß zwischen den Extremen. Zumindest sehen sie sich so.

Oft begegnen sie uns mit Hinweisen auf Regeln und Normen (ich schließe bewusst Gesetze aus, die gelten und sollten nicht überschritten werden). Sie weisen uns auf unsere Fehler hin. Stellen diese über alles. Egal wie gut das Ergebnis deiner Arbeit war, der Mittelspur-Schleicher findet etwas, was nicht seinen Regeln und Normen entspricht oder einen kleinen Fehler.


Wie aber erkenne ich ihn?

Der Mittelspur-Schleicher weiß wohl, dass er recht bekommen würde (wenn es wirklich um etwas gehen würde) ,sieht dies also auch als Anlass seine Experten-Meinung mitzuteilen. Er versteckt sich hinter Regelbücher und seinen ach so tollen (meist akademischen) Lebenslauf. Vielleicht zieht er auch den Joker und kennt genau DEN einen Experten, der mit Sicherheit seine Position untermauern würde. Schon längst geht es nicht mehr um deine Leistung sondern nur darum, dass er richtig liegt um dich und deine Leistung als falsch, fehlerhaft und inkompetent darzustellen.


Alle Gründe, die du in einer Diskussion mit einem Mittelspur-Schleicher anführen würdest, werden pauschal als nicht relevant und plausibel gekennzeichnet. Regeln sind Regeln. Da gibt es keine Freiheiten. Ein Mittelspur-Schleicher ist der Feind jeglicher Kreativität und Flexibilität (außer es ist die Eigene, diese ist ja zu 100% regelkonform und korrekt). Es sind die Menschen, die sich an Dingen wie "Neusprech" stören und von der Verwendung deiner Sprache oder Optik auf deine Gesamte-Persönlichkeit schließen (Stichworte Halo-Effekt: Eine Eigenschaft überstrahlt alle anderen Eigenschaften). Wenn du nun etwas verwendest, was gegen deren Regelbuch verstößt, wird eine Diskussion endlos lang und du wirst das Gespräch mit dem Gefühl der Unvollkommenheit oder dem "Falsch-Sein" verlassen. Das Gefühl, dass du auf jeden Fall nicht richtig sein musst, drängt sich auf (immerhin steht es ja im Regelbuch des oder deren Lebens).


Meine persönlichen Mittelspur-Schleicher

Wer sich in die Öffentlichkeit wagt, muss damit rechnen, dass nicht alles so rund läuft. Es gibt einige, die weisen dich über alle Verhältnismäßigkeit auf Fehler hin. Selbst wenn dich jemand in höchsten Tönen lobt, gibt es irgendetwas, was der Mittelspur-Schleicher bemängeln muss. Selbst dann wenn es wie eine Tonspur dauerhaft wiederholt werden muss. Das ist nervig. Es ist eine Kunst, sich wirklich auf das gute, vorangegange Lob zu konzentrieren und die negativen Kommentare lediglich als Rauschen mit laufen zu lassen. Da ich selbst schon an einer sehr viel befahrenen Straße lebte und schnell die vielen Fahrzeuge ausblendete, fühle ich mich daran erinnert, dass es sich in diesem Fall lediglich um ein Fahrzeug auf diese Straße handelte.

Ein viel schlimmerer Effekt von den Mittelspur-Schleicher des Lebens ist, dass dieser sich kaum entscheiden kann. Schön weiter in der Mitte der Straße vor sich hingleiten und mit dem Status quo zufrieden sein. Dabei dann auch immer wieder auf Strategien und Visionen hinweisen, die so ungewiss sind, dass das Eintreten dieser eher eine Lotterie gleicht. Wenn konkrete Aktionen nicht stattfinden können oder weitere Schritte nicht unternehmen werden können, bremst der Mittelspur-Schleicher einen völlig aus. An der Stelle tat ich mir schwer, meine Ziele wieder in den Fokus zu rücken. Hinter jemand herfahren zu müssen, nicht nach links oder rechts auskommen zu können, frustriert. Das einzige, was hilft, ist sich zu fragen: Was habe ich nun gelernt und kann ich das vielleicht in Zukunft vermeiden? Vielleicht kann ich ja früher ausscheren und meinen Überholvorgang starten. Wichtig ist aber vor allen auch nicht zwei Mal die gleichen falschen Entscheidungen zu treffen und an dem eigenen Timing zu arbeiten. Aus Erfahrungen lernen war der effektivste Weg, sich aus dem Windschatten des Mittelspur-Schleichers zu entfernen.


Und was mache ich, wenn ich ihm begegne?

Wie auf der Autobahn bremsen sie dich aus. Zwingen dich vom Gas zu geben und schnell droht dir die Hutschnur zu platzen. Was aber tun, wenn sich der Mittelspur-Schleicher in dein Leben drückt. Mittlerweile hast du verstanden, dass es ihm vor allem um deine Unzulänglichkeiten geht. Im Moment der Begegnung bleibt wohl leider nicht viel anderes übrig, als es auszuhalten. Geduldig in der Schlange der überholenden Autos warten und vor allem sich selbst nicht zu gefährden. Das Gebot der Stunde ist: Spur halten und reaktionsfähig bleiben (Auf der Autobahn also bremsbereit bleiben und mit genügend Abstand fahren). Persönlich musste ich schnell lernen, dass es völlig sinnbefreit ist, sich mit Menschen zu befassen, die vor sich hin schleichen und sich nicht mal bewusst sind, dass es noch eine dritte (rechte) Fahrbahn Spur gibt. Auch wenn der Ärger und Frust irgendwie entweichen muss, ist es am Ziel vorbei, sich weiter mit ihnen direkt zu beschäftigen.

Schon bald fährst du neben ihm her und wirst dir kurz vorstellen, wie du ihn abdrängst und auf Spur bringst. Mit deinem Ziel vor Augen und dem Lenkrad fest im Griff wirst du dies aber nicht tun und einfach vorbei ziehen. Du würdigst ihm nicht mal eines Blickes. Kaum ist die Straße frei und nur noch der Horizont liegt vor dir, gibst du Gas. Nach nur wenigen Sekunden siehst du den Mittelspur-Schleicher lediglich im Rückspiegel. Wie er im Rückspiegel wird auch der Ärger zunehmend kleiner und ist schon bald verflogen.


Take Away Message

Am Ende des Tages hilft wohl nur Geduld. Die Fähigkeit, den Moment auszuhalten und einfach an dem Hindernis vorbei zu ziehen. Manchmal laut fluchend. Auch wenn es erst mal nicht einfach scheint, ist die Vermeidung und Trennung von Menschen, die einem mehr oder weniger im Weg stehen, die zielführendste Lösung. Auf einmal tun sich Möglichkeiten auf, die man vorher nicht mal erahnen konnte. In diesem Sinne betrachte dein Umfeld genau und prüfe, wer dich in deiner Entwicklung behindert.





PS. Das war ein rein philosophischer Text, ohne Bezug auf irgendwelche existierende Menschen. Solltest du dich wieder erkennen oder gar angegriffen fühlen.... Well.. think about it ;-)


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